28. November 2018
Eine Standort-bestimmung zur «Smartness» in der Schweiz
Elvis Mujagić
Smart Infrastructure Berater
CARTE BLANCHE

«Herr Mujagić, bitte definieren Sie die fehlende «smarte» Technologie, damit wir unseren Kunden Smart Building- und City-Lösungen anbieten können. Der Kunde will diese dringend haben!». Das war mein erster Auftrag bei einem führenden Technologieunternehmen im Bereich der Gebäudetechnologie. Nun, fast 7 Jahre später, ist die Technologie allgegenwärtig. Pilotprojekte wurden realisiert. Trotzdem werden solche Lösungen kaum als strategisches Mittel genutzt. Warum?

Damals mag das Fehlen der notwendigen Technologie der Grund gewesen sein, dass die Mehrwerte der «smarten» Lösungen nicht realisiert werden konnten. Heute jedoch haben etablierte Unternehmen ihr Angebot erweitert. Start-ups kommen schnell mit neuen Lösungen auf den Markt. Eine breite Anwendung ist dennoch kaum zu beobachten. Es herrscht ein Vakuum zwischen der technologischen Verfügbarkeit und dessen nutzbringenden Anwendung.

Agiles Technologieumfeld mit einer trägen Anwendung

Schaut man auf den globalen Innovationsindex, so sieht man, dass die Schweiz hinsichtlich «Innovation» seit Jahren die klare Nummer Eins ist. Vergleicht man das aber mit einem der «Smart City» Ranglisten (z.B. bee smart city, city.io), so finden sich Schweizer Städte, als Beispiele für signifikante «Smart City» Umsetzungen, im besten Fall im Mittelfeld wieder. Bei anderen innovativen Ländern, wie den Niederlanden, Schweden und Grossbritannien, ist die Korrelation zwischen Innovationsgrad und Implementierung von «Smart City» Lösungen jedoch vorhanden. Wie ist das möglich?

Einige der möglichen Gründe für diese Diskrepanz sind meiner Meinung nach folgende drei Punkte:

  1. Fehlendes Verständnis für den möglichen Nutzen im eigenen Tätigkeitsgebiet
  2. Fehlende Kompetenzen für die Realisierung
  3. Das Verweilen in einer abwartenden Haltung oder Komfortzone

Fallbeispiel Österreich: Seestadt Aspern

Die oben genannten Gründe sind meine Erkenntnisse aus der Umsetzung des Smart City Pilotprojektes «Seestadt Aspern» in Wien. Das Projekt behandelt die Themenfelder Smart-User, -Buildings, -Grids und -ICT und wurde 2016 mit dem Global Smart City Award ausgezeichnet. Hier hatte man bereits 2013 auf Trends gesetzt. Zum Beispiel wurde das Potential der Eigenverbrauchsoptimierung schon damals erkannt und realisiert.

Die Bewohner erhielten die Möglichkeit, alle Komfortparameter im Raum selber zu bestimmen sowie auf dynamische Energiepreise agieren zu können. Für die Optimierung der Energiekosten wurde für den Gebäudebetreiber ein vorausschauendes und selbstlernendes Gebäude-Energiemanagementsystem umgesetzt. Eine vollständige Transparenz der Netzzustände wurde für Netzbetreiber mittels Sensorik und Analysesoftware realisiert. Der Energieversorger ist nun im Stande, seinen Energieeinkauf zu optimieren. Dafür nutzt er die Flexibilität der Gebäude mittels des erwähnten Energiemanagementsystems und des Batteriesystems.

Erfolgsfaktoren zur Umsetzung von «Smartness»

Um auf die Barrieren der Umsetzung zurückzukommen: Das sind meine drei Schlüsselerkenntnisse aus dem oben erwähnten Projekt und meine persönlichen Empfehlungen für Sie:

► Identifizieren Sie zunächst das Bedürfnis, welches zu befriedigen ist

Oft wird mit der Technologie gestartet und dann nach einem Problem gesucht. Das Resultat: Verlust der Übersicht, ineffektive Ausführung, schlechtes Ergebnis, Enttäuschung.

Vielversprechender ist folgender Ansatz:

  1. Identifizieren Sie die Herausforderungen (wirtschaftliche, soziale, ökologische) und die Potenziale für jede Interessensgruppe (d.h. Investor, Betreiber, Verwaltung etc.).
  2. Definieren Sie das notwendige Lösungskonzept.
  3. Setzen Sie es um.

Hierbei können Technologieunternehmen die Investoren, Gebäudebetreiber, städtische Verwaltungen und Nutzer unterstützen. Das in der Produktdefinition erworbene Wissen über den Marktbedarf können die Unternehmen als Dienstleistung anbieten und den eigenen Geschäftserfolg steigern: eine Win-win-Situation.

► Überlegen Sie genau, ob Sie alleine oder in einer Partnerschaft agieren sollen (Ökosystem)

Grossteils ist noch immer die Einstellung vorhanden, dass man alles selbst machen muss. Öffentliche Einrichtungen können den Prozess jedoch durch öffentlich-private-Partnerschaften mit etablierten Unternehmen oder Start-ups beschleunigen. Im Projekt Seestadt Aspern wurde z.B. ein eigenes Unternehmen mit öffentlichen und privaten Teilhabern gegründet. Technologieunternehmen, Energieunternehmen und andere können das fehlende Portfolio schneller ergänzen.

► Seien Sie ein Vorreiter: Tun Sie es einfach und reden Sie darüber

Oft tun wir gewisse Dinge nicht, weil wir sie uns nicht vorstellen können. Hier braucht es Vorreiter, die etwas demonstrieren und als Beispiel vorangehen. Vorreiter zu sein, bedeutet aber auch, Mut und Neugierde mitzubringen. Insbesondere auf der «Anwenderseite» wünsche ich mir davon mehr für die Schweiz.

Um diese Elemente auszuarbeiten kann man sich eines Smart City «Leitfadens» bedienen. Ein beeindruckendes Beispiel ist das St. Galler Smart City Management Model.

Alles in allem ist die heutige Zeit voller Möglichkeiten. Wir brauchen dafür nur mehr Konsequenz bei der systematischen Umsetzung – gepaart mit etwas mehr Mut und Neugierde.

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